Der Schweinehund fährt immer mit

er Grenzübertritt vom schwedischen Grenzstädtchen Haparanda nach Finnland war einfach. GIMG_4214eschäftliches Treiben vor der Grenze. Viele Geschäfte und viele Menschen. Das änderte sich aber sehr schnell auf finnischem Boden. Auf der Tagesetappe von 104 Kilometern gab es nur eine Tankstelle. Kein Shop, kein Kiosk, nur Dauerregen. Als ich die Tankstelle mit einem kleinen angeschlossenen Cafe betrat, sah mich der Inhaber schon von weitem kommen. Meine Regenkleidung war mit Wasser vollgesogen wie ein Schwamm. Jeder Tritt hinterließ eine kleine Pfütze. Irgendwie hatte der Tankwart Probleme mit seinem Blutdruck. Aber ich bekam zumindest eine Tasse Kaffee und ein Puddingteilchen. Ich nutze die Zeit um mich auszuruhen. Als ich wieder aufstand, hatte sich das Sitzpolster ebenfalls voll Wasser gezogen und unter dem Tisch war eine weitere Pfütze entstanden. Ich verstand, das wir keine Freunde werden würden und verließ die Tankstelle im strömenden Regen.

Von jetzt an war die Natur mit ihren Wäldern, Flüssen, Seen und der Einsamkeit ein ganz starker IMG_4285Eindruck. Je einsamer der Weg, je dunkler die Wälder und je steiler die Schotterwege, umso mehr wurde mir klar: ich bin nicht alleine unterwegs! Es ist noch jemand da, der mich gerade in schwierigen Situationen anspricht: der härteste Kerl, den ich kenne. Mein innerer Schweinehund. Es spuken Ideen durch meinen Kopf: Lieber mit dem Wohnmobil reisen? Warum nicht einen Truck anhalten und sich mitnehmen lassen? Ist ein klimatisiertes Hotelzimmer nicht schöner als ein Zelt mit Mücken? Aber mein Ziel war klar. Ich will nach Rovaniemi an den Polarkreis. Da gibt es für Zweifel und Komfort keinen Platz. Ich schaffe was, ich will.

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Und so war es dann auch. Ich erreichte die Stadt Rovaniemi aus eigener Kraft. Hier ist nicht nur das offizielle Postamt von St. Claus (dem Weihnachtsmann), sondern auch das Herz von Lappland. Insbesondere im Winter tanzt hier der (russische) Bär. Viele Touristen kommen aus Russland übeIMG_4265r die Grenze nach Finnland und feiern hier sehr wild. Im Winter liegt der Schnee meterhoch und es gibt unendlich viele Freizeitaktivitäten. Im Sommer ist Angeln, Wandern und Kajak fahren angesagt. Es gibt speziell im Winter verschiedene Eis-Hotels in denen man problemlos übernachten kann. Ich habe das Wissenschaftszentrum Arktikum besucht. Dort wird die Geschichte des hohen Norden eindrucksvoll erzählt. Leider kann man das berühmte Polarlicht von Dezember bis März am Himmel sehen. Dafür geht jetzt die Sonne so gut wie nicht mehr unter. Nachts ist es in meinem Zelt so hell, das ich eine Augenmaske tragen muss.

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Vom Polarkreis ging es über die Stadt Oulu 712 Kilometer nach Süden in die Stadt Tampere.

Die Stadt Oulu hat eine sehIMG_4305r schöne Promenade und ein Kunstmuseum. Beides habe ich natürlich besucht. Von der Stadt der Birken ging es dann wieder in Richtung Süden. Mit einer neuen Herausforderung: das Getriebe an meinem Fahrrad begann “knirschende” Geräusche zu erzeugen. Bei jeder Pedalumdrehung wurde es etwas deutlicher. Die spannende Frage: was passiert, wenn das Getriebe hier mitten im Wald stehen bleibt? Kein Handy Empfang, kein Werkzeug um das Getriebe ggf. auszubauen. Wie soll ich 150 kg durch den Wald schieben? Und wie lange? Ich reduzierte die Trittgeschwindigkeit und schaffte es in das nächste Dorf.

Dort gab es einen Wlan Zugang und ich nahm Rücksprache mit meinem Bruder, der sofort die technischen Möglichkeiten mit meinem Fahrrad Händler in Deutschland besprochen hat. Gemeinsam konnten wir das Problem am Pedalkopf lösen. Seitdem sind die Geräusche verschwunden.IMG_4323

Je nach Lage meines Zeltplatzes habe ich mal mehr IMG_4220und mal weniger Mücken. Gestern hatte sich ein Insekt in meiner Sportunterwäsche versteckt und mich mehrmals in den Po gebissen. Es dauerte eine Weile, bis ich das Tierchen erwischt hatte, da ich schon vollständig mit Rad- und Regenkleidung angezogen war. So ist die Natur: sie ist lebendig.

Jetzt habe ich die Stadt Tampere erreicht. Es gibt dort ein Schlüsselzentrum und man hat mich sehr freundlich empfangen. Nach Sightseeing und Meditation werde ich am Sonntag in das Retreat Zentrum nach Tammela fahren.

8 Kommentare zu “Der Schweinehund fährt immer mit

  1. Luki

    Mein lieber Detlef,

    Deine literarischen Qualitäten wachsen scheinbar in dem Maße, wie Dein Gewicht abnimmt. Sehr vergnüglich zu lesen und trotzdem vermittelt es ein Bild von der Herkulesaufgabe, die Du dir gestellt hast. 100 km im Regen und dann ein Tankwart, der kein Wasser mag, 700 km Einsamkeit und ein Geräusch, daß man nicht überhören kann. Respekt! Denke oft an Dich. Und ganz liebe Grüße von der Bochumer Sangha, wir haben gestern über Dich gesprochen und uns auf Deinen nächsten Bericht gefreut. Und, schwupp, schon ist er da.

    Luki

  2. Claudia

    Wow, du machst ja echt Strecke!!! Witzig, dass in Rovaniemi der Polarkreis sogar in Deutsch markiert ist! Und die Sache mit dem Pedalkopf hört sich wirklich beängstigend an, toll, wie du das wieder behoben bekommen hast! – Das Foto hier oben bei Oulu sieht aus wie das von Umeå, ist das doppelt zugeordnet? Ich wünsch dir weiterhin viel Glück für deine Reise.
    Alles Liebe, Claudia

  3. Christiane Laux

    Lieber Detlef,
    herzliche Grüße schickt Dir Christiane. Voller Neugier und Spass lese ich immer deine Reiseberichte, wirklich beeindruckend. Besonders freut es mich für Dich, welche inneren und äußeren Erfahrungen Du machen darfst.
    Geniesse weiterhin deine Tour und lass es Dir gut gehen!
    Beste Wünsche, Christiane

  4. Isolde Karla Noll

    Mensch, Detlef, heute dachte ich noch… Lange nichts von Detlef gehört, wie es ihm wohl geht?
    Und mache ich vorhin mein Emailpostfach auf…. Und Schwupps…. Da bist Du!
    Freue mich, dass es Dir weiterhin gut geht!
    Für Deine weitere Reise Segen, Schutz und gute Eindrücke!
    Ganz liebe Grüße
    von Isolde 😀

  5. Stefanie

    Hallo Detlef, Respekt!! Klingt spanend! Eine Frage habe ich: Meditierst du auch unterwegs? Wenn ja, wie fühlt es sich an, alleine, im Wald etc.? Liebe Grüsse! Steffi

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